Zwei Leben für Batterien

Batterien aus ausgedienten Rollern der Post eignen sich als stationäre Stromspeicher. Das zeigt ein Forschungsprojekt. Die Stärke solcher Speicher liegt in der vorteilhaften Ökobilanz.

  • Anette Michel, Projektleiterin Lieferwagen-Umweltliste
  • 9. November 2021
Mit den Postrollern sind auch die Batterien sieben bis neun Jahre im Einsatz.
Bild: Die Post


Knatternde Benzinroller waren gestern. Heute nähert sich die Briefträgerin auf ihrem Roller mit einem leisen Surren. Den letzten Roller mit Benzinmotor hat die Schweizerische Post 2017 ausgemustert, seither setzt sie für die Feinverteilung von Briefen und Paketen auf Elektroroller:

«Nach einer Lebensdauer von sieben bis neun Jahren sind die Roller nicht mehr tauglich für die Zustellung und gehen an den Lieferanten zurück. Das sind ab diesem Jahr 600 bis 1000 Stück pro Jahr», erklärt Brigitt Hausamman, Leiterin Corporate Environmental Responsibility bei der Post.

Wertvollstes Bauteil der Postroller ist die Lithium- Eisenphosphat-Batterie. Bei der Ausmusterung verfügt sie noch über rund 80 % der anfänglichen Speicherkapazität. Diese hohe Restkapazität legt den Gedanken nahe, dass ausgediente Fahrzeugbatterien weiter genutzt werden können: Als stationäre Stromspeicher können sie einem Gebäude mit Photovoltaikanlage ermöglichen, mehr des auf dem Dach produzierten Stroms vor Ort zu verbrauchen. Im Gegensatz zur Anwendung in Fahrzeugen spielen Gewicht und Grösse einer Batterie im Gebäude eine untergeordnete Rolle – es lassen sich entsprechend problemlos mehrere Batterien zu einem genügend grossen Speicher zusammensetzen.

Positive Ökobilanz

Weil die Herstellung von Batterien sehr energie- und rohstoffintensiv ist, wäre der Einsatz gebrauchter Batterien als sogenannte Second-Life- Speicher sinnvoll. Ökobilanz-Experten berechneten für ein Fallbeispiel in Zürich im Vergleich zu einem neuen Speicher 60 % tiefere Umweltauswirkungen.1

Wäre auch für die Batterien aus den Postrollern nach ihrer Ausmusterung ein Einsatz als stationäre Stromspeicher denkbar? Gemeinsam mit dem Ökozentrum in Langenbruck und weiteren Partnern beteiligte sich die Post an einem vom Bundesamt für Energie unterstützten Forschungsprojekt.2

2017 wurden dazu mehrere, aus ausgedienten DXP-Batterien zusammengesetzte Speicher in Betrieb genommen: einer mit einer nutzbaren Kapazität von 5,1 kWh in der Umweltarena in Spreitenbach, drei mit insgesamt 18,3 kWh Kapazität in einem Gebäude der Post in Neuenburg. Beide Gebäude verfügen über eine Photovoltaik-Anlage. Produzieren diese mehr Strom als im Gebäude verbraucht wird, so werden die Speicher geladen, und der gespeicherte Strom kann später genutzt werden.


Eine Batterie speichert tagsüber, wenn die Photovoltaik- Anlage mehr produziert, als verbraucht wird, Strom für den Abend. So wird weniger Strom vom Netz bezogen.

Ausgeklügelte Technik

Im Forschungsprojekt zeigte sich, dass der unbekannte und unterschiedliche Alterungsprozess der Batteriezellen bei einer Zweitnutzung eine grosse Herausforderung ist. Die Batteriezellen können plötzlich degradieren und nur noch einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Kapazität aufweisen. Das ist kritisch, da die schwächste Zelle im Verbund die Kapazität des gesamten Speichers begrenzt. Auch im Laborversuch gelang es nicht, die Alterung der Zellen vorherzusagen. Dies hätte erlaubt, zuverlässige Zellen für einen Speicher auszuwählen. Aus diesem Grund wählten die Forschenden des Ökozentrums in Langenbruck eine spezielle Verbauung: Diese erlaubt, einzelne Zellen jederzeit zu überbrücken. Elementarer Bestandteil der Speicher ist zudem ein ausgeklügeltes Batteriemanagement-System: Die Software überprüft regelmässig den Zustand aller Batteriezellen und entscheidet für jede Zelle, ob sie aktiv bleibt oder überbrückt wird. Tatsächlich fiel in der Versuchsperiode von etwas mehr als einem Jahr in drei der vier Speicher mindestens eine Zelle fast oder komplett aus. Dank der gewählten Verschaltung und des Batteriemanagement-Systems konnte die Funktion der Speicher trotzdem aufrechterhalten werden.

Knackpunkt Wirtschaftlichkeit

Für Michael Sattler vom Ökozentrum steht fest, dass die Batterien der Postroller auch nach ihrer ersten Karriere qualitativ gut sind und weiter genutzt werden können.

«Das Projekt hat gezeigt, dass Second-Life-Speicher aus Fahrzeugbatterien technisch machbar sind und ein grosses Potenzial an umweltfreundlicher Speicherkapazität bieten. Nach dem mobilen Einsatz können die Batterien weitere zehn Jahre stationär dienen. Diese Möglichkeit sollte genutzt werden», erläutert Sattler.

«Würde die spätere Verwendung als stationärer Speicher schon beim Design der Batterien berücksichtigt, wären Second-Life- Speicher wirtschaftlich interessant»
Michael Sattler

Als Hürde hat sich im Forschungsprojekt die Wirtschaftlichkeit herausgestellt: Ein Second-Life- Speicher lässt sich kaum günstiger betreiben als ein neuer Speicher. Zwar ist das Batterieteil günstiger, doch der höhere technische Aufwand für dessen Bewirtschaftung gleicht diesen Vorteil aus. Da die Preise für Speicher momentan stark sinken, dürften es Second-Life-Speicher auch künftig auf dem Markt nicht leicht haben.

Entscheidender Punkt für Sattler ist, dass die Second-Life-Nutzung bei der Konstruktion der verwendeten Batterien nicht vorgesehen war. «Würde die spätere Verwendung als stationärer Speicher schon beim Design der Batterien berücksichtigt, wären Second-Life- Speicher wirtschaftlich interessant», ist sich der Forscher sicher.

Danach ins Recycling

Ebenfalls am Forschungsprojekt beteiligt war der Hersteller der Postroller. Die Firma Kyburz glaubt an das Potenzial stationärer Speicher aus ausgedienten Batterien und treibt verschiedene Projekte dazu voran. Namentlich am Firmenstandort im nördlichen Kanton Zürich installierte Kyburz einen Speicher aus Batterien eigener Roller, die nach der Nutzung retourniert worden waren.

Bevor sie stationär als Speicher genutzt werden, bleiben die Batterien aber vorerst im mobilen Einsatz: Werden die Roller von der Post retourniert, bereitet Kyburz sie auf und verkauft sie an Privatpersonen weiter.

«Die Erfahrung zeigt, dass der Grossteil der Batterien für den weiteren Einsatz in Fahrzeugen verwendet werden kann», erklärt Olivier Groux, bei Kyburz in der Entwicklung tätig. Erst wenn die Roller auch für die private Nutzung ausgedient haben, werden die Batterien stationär als Speicher eingesetzt. Haben sie dort ausgedient, erreichen sie ihr Lebensende. Auch hier geht Kyburz einen Schritt voraus: Die Firma baut ein hausinternes Recycling-System auf. Nicht nur bei Kyburz wird sich das Recycling von Batterien technisch und kostenmässig stark weiterentwickeln. Für Sattler ist darum nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft unter Umständen sinnvoller sein könnte, ausgemusterte Fahrzeugbatterien direkt dem Recycling zuzuführen. «Es ist denkbar, dass künftig weniger Energieaufwand nötig sein wird, um über einen optimierten Recyclingprozess neue Batterien herzustellen, als für die technische Instandsetzung als Second-Life- Speicher», präzisiert Sattler.


Verweise:

1 Stolz und Frischknecht: Ökobilanz PV-Anlage und Batterie für das Garderoben- und Club-Gebäude in Zürich Höngg. März 2018, im Auftrag der Stadt Zürich

2 Forschungsprojekt des Bundesamtes für Energie: Stromspeichersystem mit Second-Life-Akkumulatoren (SL-Speicher)


Dieser Text wurde erstmals im Mai 2020 in der Lieferwagen-Umweltliste publiziert.