Investition in die Zukunft

Immer mehr Gemeinden achten bei der Beschaffung von Fahrzeugen auf Kriterien der Nachhaltigkeit. Die Erfahrungen aus vier Gemeinden zeigen, dass es dabei Strategien braucht, die an die lokalen Verhältnisse angepasst sind.

  • Mauro Schmid, Praktikant Verkehrspolitik beim VCS
  • 19. November 2021
Die Gemeinde St. Moritz setzt auf ein elektrisches Kleinkehrichtfahrzeug. Dieses wird selbst bei Schnee eingesetzt.
Bild: fotoSwiss.com/ cattaneo


Stellen Sie sich eine Ortschaft in den Bergen vor, welche vom Schneetourismus lebt. Sie können die Stille und die Bergluft geniessen, denn grosse, laute und stinkende Fahrzeuge sind eine Seltenheit. Egal ob Pistenfahrzeug, Feuerwehrauto, Ortsbus oder Kehricht-Lastwagen: Alle sind komplett elektrisch unterwegs. Leider sei dies heute technisch nicht machbar. Zu diesem Schluss kommt der Masterplan Elektromobilität der Gemeinde St. Moritz (GR).

Trotzdem hat sich St. Moritz zum Ziel gesetzt, bei der Fahrzeugbeschaffung Nachhaltigkeitskriterien einzubeziehen und alternative Antriebe vorzuziehen, wenn die Machbarkeit gegeben ist. So hat die Gemeinde vor Kurzem ein elektrisches Kleinkehrichtfahrzeug gekauft. Und auch das gemeindeeigene Energieunternehmen St. Moritz Energie hat bereits zwei seiner Dienstwagen durch Elektroautos ersetzt.

Kraftpakete nötig

In St. Moritz herrschen erschwerte Rahmenbedingungen für den Einsatz von elektrischen Gemeindefahrzeugen. Bei der Anschaffung müsse berücksichtigt werden, dass während eines wesentlichen Teils des Jahres Schnee liegt. «Elektro-Nutzfahrzeuge haben oft einfach nicht genug Power, um dem Schnee zu trotzen», sagt Ulrich Rechsteiner, Gemeindeschreiber in St. Moritz. Ausserdem würden Temperaturschwankungen und Steigungen der Batterie zusetzen.

Das Problem der Wintertauglichkeit ist auch in der Gemeinde Worb (BE) ein Thema. Dort steht die Beschaffung eines Fahrzeugs für den Werkhof bevor, das auch als Schneepflug genutzt werden kann. Ob ein Elektrofahrzeug genügend Leistung und Reichweite für das Räumen bei intensivem Schneefall hat, sei noch nicht klar. «Dies wollen wir diesen Winter herausfinden», sagt Silvia Berger, Projektleiterin Planung und Umwelt in Worb. Deshalb testet die Gemeinde zurzeit ein solches Elektrofahrzeug.

«Elektro-Nutzfahrzeuge haben oft einfach nicht genug Power, um dem Schnee zu trotzen.»
Ulrich Rechsteiner


Die Stadt Genf versucht Elektrofahrzeuge vorzuziehen, wo immer dies möglich ist. Aber nicht alle Bedürfnisse der Verwaltung können mit elektrischen Fahrzeugen abgedeckt werden. Darum verwendet die Stadt ergänzend Benzin-, Diesel- und Biogas-Fahrzeuge. Auch die Nutzlast von Elektrofahrzeugen sei je nach Aufgabe noch zu knapp: «Muss eine Strecke darum mehrmals zurückgelegt werden, ist die Umstellung auf ein Elektrofahrzeug nicht unbedingt sinnvoll», sagt Nicolas Poltera, der für die Beschaffung der Fahrzeuge zuständig ist. Der Bundesrat möchte nun mit einer Gesetzesrevision bei leichten Nutzfahrzeugen ein höheres Gewicht zulassen, wenn das zusätzliche Gewicht auf den schwereren Antrieb zurückzuführen ist, um dieses Problem anzugehen.

Kostenpunkt Elektrofahrzeug

In der Gemeinde Freienbach (SZ) gelten bei der Beschaffung schon seit 2012 soziale Richtlinien. In Zukunft sollen auch ökologische Kriterien einen Einfluss haben. Deshalb hat die Gemeinde ein Beschaffungsreglement ausgearbeitet, das nun ein Jahr lang getestet wird, bevor es dann in Kraft treten soll. Darin ist neben Mindestanforderungen wie der Energieeffizienzklasse A unter anderem auch festgehalten, dass alternative Antriebe geprüft werden müssen.

Im vergangenen Jahr wurden dafür zwei Elektrofahrzeuge für den Werkhof getestet. In Freienbach gibt es jedoch viele schmale Strassen und die in Frage kommenden Elektromodelle haben sich als zu breit dafür herausgestellt. Doch auch die Kosten waren für die Gemeinde ein Punkt, der zum Entscheid gegen das elektrische Modell geführt hat. «Wenn der Preis doppelt so hoch ist wie beim Verbrenner, dann ist die Schmerzgrenze überschritten», sagt Barbara Darani, die Umweltschutzbeauftragte von Freienbach.

Poltera von der Stadt Genf weist darauf hin, dass Elektrofahrzeuge anders budgetiert werden müssen als Verbrenner. Die Anschaffungskosten dafür sind zwar höher und damit auch der Kredit, der für ein Fahrzeug beantragt werden muss. Dazu kommen zusätzliche Kosten, falls die Ladeinfrastruktur für das Fahrzeug noch nicht besteht. Aber die Betriebskosten der Fahrzeuge sind wesentlich tiefer. Diese müssten deshalb beim Kaufentscheid unbedingt miteinberechnet werden.

Optimieren und reduzieren

Genf verfolgt bei der nachhaltigen Beschaffung noch einen zusätzlichen Weg: Mit einer besseren Organisation soll der Bedarf an neuen Fahrzeugen minimiert werden. Im Moment steige der Fahrzeugbestand weil auch die Bevölkerung der Stadt zunimmt. «Aber das Ziel ist es, zu reduzieren oder den Bestand auf heutigem Niveau zu halten», sagt Poltera.

Dies sei eine Herausforderung, weil man die Dienstleistungen auch künftig verlässlich erfüllen wolle.

Die Stadt Genf hat schon Versuche unternommen, herkömmliche Autos durch andere Verkehrsmittel zu ersetzen, beispielsweise durch Cargo-Bikes. Es habe sich herausgestellt, dass diese zwar dazu beitragen können, die mit dem Auto gefahrenen Distanzen zu reduzieren. Aber die Mitarbeitenden seien oftmals nicht bereit dazu, ein Auto ganz durch ein Cargo-Bike zu ersetzen. «Es braucht in diesem Bereich noch psychologische Arbeit», meint Poltera, denn das Auto sei noch stark in den Köpfen verankert.

«Es gibt keine Zauberformel, wie eine Reduktion der Fahrzeuge erreicht werden kann», sagt Poltera. Denn er ist überzeugt, dass es wichtig ist, die Bedürfnisse des Betriebs gut zu kennen und diese zu berücksichtigen. Trotzdem gäbe es Massnahmen, die von Fall zu Fall geprüft werden können. Ein besserer organisatorischer Ablauf kann Umwege vermeiden und damit Zeit und Treibstoff sparen. Und mit dem Teilen von Fahrzeugen über einen Fahrzeugpool ist es möglich, die Fahrten auf weniger Fahrzeuge zu verteilen.

Auch in St. Moritz ist man sich bewusst, dass durch das Teilen von Fahrzeugen Ressourcen gespart werden. Die Gemeinde teilt sich Fahrzeuge mit Nachbarorten. Als Beispiel nennt Rechsteiner die Nutzfahrzeuge des Forstamts. Die Gemeinden leihen sich diese Fahrzeuge gegenseitig aus. «Wir wissen voneinander, welche Fahrzeuge die Gemeinden der Region besitzen», sagt Rechsteiner. Zudem übernehme St. Moritz gewisse Dienstleistungen für andere Gemeinden. Auch damit könnten die Fahrzeuge besser ausgelastet werden. Dies reduziere zwar die Abgase vor Ort nicht, aber dafür würden weniger Fahrzeuge benötigt.


Dieser Text wurde erstmals im März 2021 in der Auto-Umweltliste publiziert.