Benzin und Diesel: Ende zeichnet sich ab

Nach dem Nein zum CO₂-Gesetz fehlen in der Schweiz Massnahmen, um die nötige Absenkung der CO₂-Emissionen zu erreichen. Währenddessen werden in der EU die nächsten Schritte in der Klimapolitik vorbereitet. Das Ende von Benzin und Diesel zeichnet sich ab.

  • Martin Winder, Projektleiter Verkehrspolitik VCS
  • 3. Februar 2022
Die EU will das Tempo in der Klimapolitik erhöhen. Das ist dringend nötig, denn die Klimaerhitzung führt bereits heute zu häufigeren und extremeren Unwettern. So auch in der Schweiz im Sommer 2021.
Bild: Laurent Gillieron, Keystone


Am 13. Juni 2021 wurde das CO2-Gesetz von der Schweizer Stimmbevölkerung knapp verworfen. Damit gelten in der Schweiz vorerst nur die Flottenzielwerte von 118 g CO2/km für Personenwagen und 186 g CO2/km für leichte Nutzfahrzeuge. Die dringend benötigten weiteren Absenkschritte, sowie die Einführung des in der EU bereits geltenden CO2-Zielwerts für Lastwagen fehlen vorerst.

Etwa einen Monat nach der Abstimmung hat die EU-Kommission ihr «Fit for 55»-Paket präsentiert. Das Massnahmenpaket soll in der EU bis 2030 zu einer Reduktion der CO2-Emissionen um 55% (im Vergleich zu 1990) führen.

Noch offen ist die Ausgestaltung: Gemäss dem Willen der EU-Kommission sollen die CO2-Emissionen von neuen Personenwagen ab 2030 um 55% gegenüber 2021 sinken, jene von Lieferwagen um 50%. Bis 2035 sollen die Emissionen aller Motorfahrzeuge um 100% gesenkt werden, was bedeutet, dass ab dann nur noch Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeuge verkauft werden dürfen.

Die Absenkziele der EU-Kommission für den CO2-Ausstoss der Neuwagen. Reduktionen in % jeweils im Vergleich zum Neuwagen-Flottendurschnitt im Jahr 2021. Bild: VCS. Quelle: EU-Kommission

Zudem plant die EU-Kommission auch die Einführung eines CO2-Emissionshandels für den Strassenverkehr und Brennstoffe für Gebäudeheizungen. Dieser soll ab 2026 eingeführt werden und würde die Treibstoffkosten zu Beginn um 5 Cent pro Liter erhöhen. Ein Teil der Einnahmen soll an Privathaushalte mit tiefen Einkommen zurückverteilt werden.

Viele Details dieses geplanten Emissionshandelssystems sind jedoch noch offen. Es ist zudem nicht zu verwechseln mit dem bereits bestehenden Emissionshandel für Stromproduktion, Industrie und Flugverkehr, an dem auch die Schweiz teilnimmt. Beide Handelssysteme sollen separat laufen, wodurch sich die Preise auch unterschiedlich entwickeln können.

Beschlossen sind weder die EU-Flottenziele, noch der Emissionshandel. Sie müssen erst vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten bestätigt werden.

Wie weiter in der Schweiz?

Die Schweiz hat mit der Ablehnung des langwierig erarbeiteten CO2-Gesetzes viel Zeit verspielt, um die CO2-Emissionen rechtzeitig zu senken. Nun sind neue Lösungen gefragt. Naheliegend wäre es, dass die Schweiz wie bisher die EU-Flottenziele übernimmt und somit spätestens ab 2035 nur noch reine Elektroautos und Brennstoffzellenfahrzeuge verkauft werden dürften. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um den Verkehr bis 2050 CO2-frei zu gestalten - denn es dauert lange, bis der Fahrzeugbestand erneuert ist: So sind Personenwagen im Durchschnitt während 18 Jahren auf Schweizer Strassen in Betrieb, bevor sie entweder verschrottet oder exportiert werden. Im Gegensatz zur EU, die auch Länder mit tiefen Durchschnittseinkommen umfasst, wäre in der Schweiz ein früherer Verkaufsstopp für Verbrenner-Fahrzeuge ab 2030 angebracht.

Ob auch eine Übernahme des EU-Emissionshandels für Strassenverkehr und Gebäudeheizungen sinnvoll ist, lässt sich im Moment noch nicht abschliessend beurteilen. Die EU wird jedoch darauf achten müssen, dass die CO2-Preise auch in den ärmeren Mitgliedsstaaten in Süd- und Osteuropa tragbar sind. Damit wäre das Preisniveau in der Schweiz vermutlich zu tief, um einen relevanten Lenkungseffekt zu erzielen. Zudem hat die Schweiz im Gebäudebereich bereits eine gut funktionierende CO2-Abgabe. Diese liesse sich auch auf Benzin- und Diesel ausweiten. Eine Schweizer Lösung hätte zudem den Vorteil, dass die Einnahmen der Abgabe im Land bleiben.

Der VCS hat im Juni 2021 einen eigenen Plan vorgestellt, wie der Verkehr fossilfrei werden kann. Teil davon ist auch ein Verkaufsverbot von Verbrenner-Fahrzeugen ab 2030 sowie die Einführung einer Lenkungsabgabe auf fossile Treibstoffe. Neben einer Umstellung auf fossilfreie Antriebe ist jedoch auch eine Verkehrsreduktion und eine deutliche Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr sowie auf den Fuss- und Veloverkehr notwendig. Sie finden den Masterplan fossilfreier Verkehr unter: fossil-frei.ch.