«Ein Auto von Mobility ersetzt elf Privatautos»

Der Carsharing-Anbieter Mobility will bis 2030 eine emissionsfreie Flotte. Roland Lötscher, Mobility-Geschäftsführer, spricht im Interview über die Verkehrsreduktion und den Klimaschutz als Unternehmenszweck, die Hürden bei der Elektrifizierung und die Strahlkraft eines Tesla.

  • Nelly Jaggi, Redaktorin VCS-Magazin
  • 22. November 2021
Bis 2030 will Roland Lötscher die Mobility-Flotte elektrifizieren, bis 2040 das ganze Unternehmen klimaneutral gestalten.
Bild: Mobility


Roland Lötscher, Mitte 2019 hat Mobility Luxusautos in die Flotte aufgenommen. Ein Jahr später war Schluss. Nun wurde im August kommuniziert, dass das Unternehmen bis spätestens 2030 eine emissionsfreie Flotte anstrebt. Warum diese drastische Umkehr?

Unser Unternehmen verfolgt zwei zentrale Ziele: den Verkehr reduzieren und das Klima verbessern. Die Luxusthematik hat mit dem ersten Ziel zu tun: Wenn wir mithelfen wollen, den Verkehr zu reduzieren, muss unsere Flotte einigermassen widerspiegeln, was in der Schweiz an Neuwagen zugelassen wird. Nach einem Jahr hat sich gezeigt, dass das Angebot zu teuer ist. Das Positive war aber ein überdurchschnittlich hohes Interesse an E-Autos. Nun wollen wir die gesamte Flotte bis 2030 elektrifizieren und emissionsfrei machen.

Seit wann hat Mobility Elektroautos im Angebot?

Die Anfänge gehen auf 2011 zurück, mittlerweile sind es über 100 Fahrzeuge. Auf diesem Weg haben wir natürlich auch dazugelernt. Die E-Autos werden immer häufiger genutzt, im Schnitt aber immernoch weniger als die konventionellen. Doch das ändert sich derzeit stark. Ein häufiges Thema bleibt die Reichweitenangst. Obwohl diese meist unbegründet ist, müssen wir sicher weiter daran arbeiten.

Müsste Mobility im Hinblick auf die Klimaziele nicht ganz darauf verzichten, noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Betrieb zu setzen?

Ein Auto von Mobility ersetzt mittlerweile elf Privatautos. Umgerechnet sind das mehrere 10 000 Tonnen CO2, die eingespart werden. Ist der Flottenumbau bis 2030 zu spät? Vielleicht eine berechtigte Frage, aber man muss sich vor Augen halten, dass eine komplette Elektrifizierung nicht leicht ist. Wir müssen ja nicht nur die Fahrzeuge ersetzen, sondern auch Ladeinfrastruktur bereitstellen und unseren Nutzerinnen und Nutzern verständlich machen, wie alles funktioniert.

Lassen Sie uns über die grösste Hürde sprechen: die Ladeinfrastruktur. Die SBB wird an 50 bis 60 Bahnhöfen Ladestationen bauen; die Genossenschaft Mobility wird Mieterin dieser Parkplätze.

Die gut genutzten Mobility-Standorte befinden sich meistens bei Bahnhöfen. Wir sind daher eine enge strategische Zusammenarbeit mit der SBB eingegangen: Sie rüstet die Parkplätze mit E-Ladestationen aus, wir mieten sie.

Was ist für die anderen Parkplätze angedacht?

Unsere Standorte gehören ja nicht uns, wir mieten sie bloss. Deshalb ist es eine grosse Herausforderung, sie zu elektrifizieren. Im Detail heisst das: Wir benötigen einen Stromanschluss und eine Ladesäule. Weiter muss die Abrechnung geregelt werden. Für uns gibt es zwei Wege. Erstens haben wir eine Ausschreibung lanciert, um für die ganze Schweiz Partnerschaften für die Elektrifizierung zu suchen. Zweitens gibt es aber auch immer wieder Private, die ihre Parkplätze ausrüsten. Daran sind wir auch interessiert.

Werden Sie Ihre Ladestationen auch für fremde Fahrzeuge zur Verfügung stellen?

Das ist im Moment nicht angedacht. Es ist langfristig aber durchaus denkbar, dass man einen freien Parkplatz zum Aufladen nutzen kann.

Ein weiteres Thema ist das Laden unterwegs. Nicht überall gibt es ausreichend öffentliche Ladestationen.

Braucht es das überhaupt? Die Reichweite wird bei den Elektroautos immer besser. Zudem ist unser Geschäft, das Carsharing, eher auf kurze bis mittlere Strecken ausgelegt. Dafür reicht eine geladene Batterie. Zwischen zwei Mobility-Fahrten werden immer Pufferzeiten einberechnet, die Mindestreichweiten garantieren.

Ich komme zurück, parkiere das Auto und vergesse, es zu laden …

Es sind genau solche Herausforderungen: Wie lernen das unsere Kundinnen und Kunden? Jedes E-Auto ist leider ein bisschen anders in der Handhabung. Das ist also auch eine kommunikative Herausforderung.

Woher muss Unterstützung beim Ausbau der Ladeinfrastruktur kommen?

Das ist ein wichtiger Punkt und weltweit ein Thema, das jetzt proaktiv angegangen werden muss. Wir führen Gespräche mit dem Bundesamt für Energie und sehen bei Städten und Gemeinden, dass Interesse da ist. Ebenso sind wir im Gespräch mit privaten Partnern. Das Spannende und Schöne ist: Weil wir eine Vorwärtsstrategie haben und diese kommunizieren, kommen mögliche Partner auch aktiv auf uns zu.

In Zürich, Basel, Bern und Luzern hat Mobility einen Tesla im Angebot: ein teures und prestigeträchtiges Auto. Wollen Sie damit die Neugierde wecken?

Definitiv, das geht wieder zurück auf die Frage, wie wir möglichst viele Leute vom Carsharing überzeugen können. Ein Tesla hat eine gewisse Strahlkraft, um Leute zu erreichen und zu begeistern.

Nun wissen wir ja alle, dass Elektroautos nur nachhaltig unterwegs sind, wenn entsprechender Strom geladen wird.

Unsere Elektrofahrzeuge werden mit Strom aus Schweizer Wasserkraft betrieben. Wir machen uns auch Überlegungen dazu, woher der Strom in Zukunft kommen soll und ob wir den teilweise gar selber produzieren wollen. Beispielsweise mit Solarladestationen an unseren Standorten.

Gibt es Mindestanforderungen bei der Beschaffung und der Entsorgung?

Wir streben Klimaneutralität an. Dazu gehört alles, was vorher und nachher kommt. Wir sind heute noch nicht ganz dort, wo wir sein wollen. Wir werden aber einen Anforderungskatalog erarbeiten und sicherstellen, dass unsere Anforderungen auch erfüllt werden.

Welche Konsequenzen hat die Elektrifizierung der Flotte auf die Anschaffungs- und Betriebskosten?

Elektrofahrzeuge sind in der Anschaffung heute noch teurer, aber die Preise kommen unter Druck. Gleichzeitig fallen die Betriebskosten tiefer aus als bei den fossilen Fahrzeugen. Wir haben im Moment zudem zwei Herausforderungen, die als Extrakosten dazukommen: die Ladeinfrastruktur und die Auslastung der Fahrzeuge. Alles in allem sind wir aber überzeugt, dass sich das mittelfristig rechnen wird. Sonst hätten wir den Schritt nicht gemacht.

Wann rechnen Sie mit Kostenparität?

Wir gehen von rund drei Jahren aus. Da sind wir aber natürlich abhängig von der weiteren Entwicklung.

Hat die Umstellung auch finanzielle Auswirkungen für die Nutzerinnen und Nutzer?

Nein, es ist nicht das Ziel, dass wir die Kosten abwälzen. Heute sind unsere Elektrofahrzeuge von anderen Fahrzeugklassen quersubventioniert. Das geht aber nur, weil sie bloss einen kleinen Anteil der Flotte ausmachen.

Bis 2040 will Mobility nicht nur eine emissionsfreie Flotte, sondern als gesamtes Unternehmen klimaneutral wirtschaften. Welche zusätzlichen Schritte sind dafür erforderlich?

Bei der Flotte sprechen wir von 14 500 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr. Diese Zahl beinhaltet alles, von direkten Fahrtemissionen über Energieherstellung bis hin zum gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge. Das Unternehmen Mobility macht mit jährlich rund 600 Tonnen CO2 nur einen kleineren Teil aus. Es ist uns jedoch wichtig, dass wir das ganze Bild betrachten und nicht bei der Flotte zu denken aufhören – besonders auch im Hinblick auf unseren Unternehmenszweck, das Klima zu verbessern.


Dieser Text wurde erstmals im März 2021 in der Auto-Umweltliste publiziert.