Schau nicht so böse!

Während die runden Scheinwerfer vergangener Zeiten Autos ein freundliches Antlitz verliehen haben, schauen neuere Modelle oft grimmig und aggressiv. Doch warum sehen wir in Autofronten Gesichter und welche Erkenntnisse ergeben sich daraus?

  • Nelly Jaggi, Redaktorin VCS-Magazin
  • 11. Mai 2022
Jagt dem Betrachter oder der Betrachterin fast Angst ein: BMW X6
Bild: BMW


Der knuffige «Lightning McQueen» aus dem Pixarfilm «Cars» oder der sprechende Bolide «K.I.T.T.» aus der Serie «Knight Rider»: Autos werden gerne vermenschlicht. Die Idee liegt auf der Hand, denn in Autofronten erkennen wir tatsächlich Gesichter. Das bestätigt auch die Wissenschaft, die Rede ist von der sogenannten Pareidolie. Diesem Phänomen zufolge neigen wir dazu, in Dingen Vertrautes zu erkennen. Das kann der «Mann im Mond», eine Figur in einer Wolke oder eben ein Gesicht in der Vorderansicht eines Autos sein. Die Scheinwerfer werden zu Augen, der Kühlergrill zum Mund und das Markenlogo zur Nase. Im Rahmen einer Studie haben rund ein Drittel der Menschen 90 Prozent der Frontenansichten von Autos als Gesichter wahrgenehmen.

Wer nun allerdings diese «Autogesichter» miteinander vergleicht, wird grosse Unterschiede feststellen. War der VW-Käfer aus dem Jahr 1965 ein freundliches Wesen (man denke an auch «Herbie»), jagen Sportwagen oder SUVs wie der BMW X6 aus dem Jahr 2020 dem Betrachter oder der Betrachterin beinahe schon Angst ein. Es scheint, Autos wurden in den letzten Jahren nicht nur grösser und schwerer, sondern sie blicken zum Schein auch böser drein.

Die Huhn-Ei-Frage

Während der 1965er-Käfer mit seinen «grossen Augen» und dem «lieben Lächeln» das sogenannten «Kindchenschema» bedient, werden Autos mit «breiten Gesichtern» – namentlich schmale Windschutzscheibe und weit auseinanderliegende Schweinwerfer – in Studien als «erwachsen», «maskulin» und «wütend schauend» beschrieben. Analog der Betrachtung menschlicher Gesichter wird dem Auto, dessen «Gesicht» als aggressiv wahrgenommen wird, auch diese Eigenschaft zugeschrieben.

«Grosse Augen» und «liebes Lächeln»: VW Käfer aus den 1960er-Jahren

Bild: Volkswagen

Bleibt die Frage, ob sich das Auto die Besitzerin aussucht oder der Besitzer das Auto? Fällt unsere Wahl auf Objekte, denen wir Eigenschaften zuschreiben, die wir auch für uns selber in Anspruch nehmen? Oder verführt der böse Blick des Autos die Lenkerin zu einem entsprechenden – und damit mutmasslich riskanteren – Fahrstil? Die Schuld aufs Auto abzuschieben wäre wohl auch gar einfach. So schreibt die Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu in einem Faktenblatt, dass aggressive Autofahrende auch in anderen Lebensbereichen zu aggressivem Verhalten neigen.

Wir bleiben auf der Hut

Und was ist mit der Fussgängerin? Studien haben gezeigt, dass Probandinnen und Probanden die Strasse schneller überqueren, wenn ein Auto böse blickt. In einer Wolke oder einer Scheibe Toastbrot ein Gesicht zu erkennen, hätte kaum Auswirkungen, sagt Forscher Dennis Slice denn auch sinngemäss. Hingegen sei es fatal, einen Angreifer zu übersehen oder falsch zu interpretieren. Wir sind auf der Hut.

Machen Namen Autos?

Macht verleiht nicht nur der Blick, sondern auch der Name. Hugo Caviola und Andrea Sedlaczek vom Sprachkompass-Team haben Autonamen unter die Lupe gekommen und sind dabei zu spannenden Erkenntnissen gekommen. Mehr dazu in ihrem Beitrag «SUVs – die Stadtgeländewagen».

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