Die sozialen Kosten der E-Mobilität

Elektrofahrzeuge sind klimafreundlicher als fossil betriebene Transportmittel – insbesondere wenn für Herstellung und Antrieb erneuerbare Energien verwendet werden. Der Rohstoffbedarf für die Batterieproduktion verursacht jedoch Umweltschäden und menschliches Leid.

  • Karin Mader, Brot für alle und Fastenopfer
  • 4. November 2021


«Der Regen schwemmt die ausgehobene Erde aus der Mine die steilen Hänge hinab. Der Schlamm enthält giftige Metallrückstände und verschmutzt unser Land und unsere Fischfarmen», sagt Cecilia Cruz, die für eine philippinische NGO arbeitet. «Zuerst wurden die Leute aus den Dörfern umgesiedelt, um Platz für die Nickelmine zu machen – und jetzt erhalten sie nicht einmal die versprochene Arbeit. Denn die Firma stellt lieber Tagelöhner aus der nahe gelegenen Stadt ein.»

Die philippinische Inselgruppe Mindanao gehört zu den wichtigsten Fördergebieten von Nickel. 90 % davon gehen nach China in die Stahlindustrie – sowie zunehmend in die Batterieproduktion für Elektrofahrzeuge. Zusammen mit Kobalt und Lithium gehört das Metall zu den wichtigsten Rohstoffen für Batterien.

Gesundheitsschäden, Gewalt und Kinderarbeit

Während Nickel in der Natur relativ weit verbreitet ist, beschränkt sich das abbaubare Kobaltvorkommen weitgehend auf die Demokratische Republik Kongo (DRK). Dieses Schwermetall wird meist von chinesischen Firmen aufgekauft und dient als Batterierohstoff. Pro Elektroauto werden etwa zehn Kilogramm des Metalls verbaut. Kobalt hat einen schlechten Ruf, denn der Abbau finanziert lokale Konflikte, die bereits zum Tod und zur Flucht abertausender Menschen geführt haben.

Auch Korruption ist weit verbreitet, und die Einnahmen aus dem Kobalt-Bergbau landen weiterhin häufig in den Taschen einzelner Machthaber statt in den Staatskassen. Gewalt durch das Sicherheitspersonal grosser Minen ist ebenso ein Problem wie die Umweltverschmutzung – mit gravierenden Auswirkungen auf die Gesundheit der lokalen Bevölkerung. Der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore sorgt in dieser Hinsicht regelmässig für negative Schlagzeilen.

Der Kobaltbergbau in der DRK erfolgt zu 20 % in Kleinstminen. Die von Hand gegrabenen Löcher und unterirdischen Gänge sind selten gesichert, schwere Unfälle an der Tagesordnung. Kinderarbeit ist weit verbreitet, bestehende Kinderschutzgesetze und Vorschriften werden oft ignoriert.

Trotz ihres Rohstoffreichtums ist die DRK eines der ärmsten Länder der Welt. Grosse Teile der Bevölkerung sind auf ein Einkommen aus der Minenarbeit angewiesen. Wenn sich Rohstoffunternehmen wegen negativer Schlagzeilen vom Kleinbergbau abwenden, ohne den betroffenen Menschen alternative Lebensgrundlagen zu bieten, leiden diese daher doppelt.

Zu wenig Wasser für die lokale Bevölkerung

Auch der Lithium-Abbau hat negative Auswirkungen. «Meine Eltern hatten eine grosse Lama-Herde», erinnert sich Hugo Díaz, der im Atacama-Hochland in Chile lebt. «Heute reicht das Wasser kaum mehr zum Trinken und um ausreichend Futterpflanzen anzubauen für den Winter.» Das sogenannte Lithium-Dreieck in Chile, Argentinien und Bolivien hält über 60 % der weltweit bekannten Reserven am «weissen Gold».

Lithium aus den Salzwüsten Lateinamerikas ist vergleichsweise günstig, weil der Rohstoff durch natürliche Verdunstung gewonnen wird. Das Leichtmetall ist Bestandteil einer Salzlösung, die sich in einem fragilen Gleichgewicht mit Frischwasser-Reserven in Schichten unter den Hochlandseen befindet.

«Heute reicht das Wasser kaum mehr zum Trinken und um ausreichend Futterpflanzen anzubauen für den Winter.»
Hugo Díaz

Für die Förderung einer Tonne Lithium werden etwa 2 Millionen Liter Salzlösung benötigt. Dies führt zum Absinken des Grundwasserspiegels und beeinträchtigt die Frischwasser-Reserven für das sensible Ökosystem und die lokale Bevölkerung. Bei Bauvorhaben und Förderaktivitäten ignorieren Rohstofffirmen regelmässig die Rechte der Bevölkerung. Unzureichende und unterschiedlich hohe Entschädigungen für abgetretene Land- und Wasserrechte führen zu Konflikten unter einzelnen lokalen Gemeinschaften.

Verantwortungsvoller Rohstoffabbau und Recycling

Gemäss internationalen Standards – wie etwa den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen – müssen Rohstoffunternehmen die Menschenrechte bei allen Operationen und Geschäftsbeziehungen respektieren. Fahrzeug- wie auch Batteriehersteller sind angehalten, ihrer Sorgfaltspflicht weltweit und über die gesamte Lieferkette nachzukommen, also von der verantwortungsvollen Rohstoffbeschaffung bis zur Entsorgung. Um Risiken und Missstände für die Umwelt und die lokale Bevölkerung zu verringern, ist der Gebrauch rezyklierter Rohstoffe die beste Lösung (siehe Kasten).


Referenzen und weiterführende Informationen:

◾ Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit, Diesel, Benzin, Elektro: Die Antriebstechnik allein macht noch keine Verkehrswende, Brot für die Welt, Misereor, Powershift, 2. Auflage 2019.

Im Schatten des Kobaltbooms, Eine Web-Reportage aus den Dörfern rund um die Minen des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore in der Demokratischen Republik Kongo, Brot für alle und Fastenopfer, 2019.

How much water is used to make the world’s batteries? A Web-Report on Lithium extraction in Chile, Danwatch, 2019.


Nachhaltige Elektromobilität dank erneuerbaren Energien

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft und Technik für eine nachhaltige Zukunft. Für Marcel Gauch, Nachhaltigkeitsdelegierter der Empa, ergeben sich folgende Erkenntnisse:

◾ Elektrofahrzeuge sind klimafreundlicher und nachhaltiger als konventionelle Fahrzeuge insbesondere dann, wenn sie mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben und auch hergestellt werden. Ihre potenziell positive Bilanz wird getrübt durch den erhöhten Rohstoffbedarf für die Batterieproduktion.

◾ Umwelt-, Gesundheits- und andere Risiken im Zusammenhang mit der Rohstoff-Förderung für die Batterieherstellung müssen sorgfältig verglichen werden mit dem potenziellen Gewinn durch klimafreundlichere Transportmittel und gegenüber fossil betriebenen Fahrzeugen.

◾ Technische Innovationen sollen in Zukunft die Abhängigkeit von seltenen und problematischen Rohstoffen – z. B. Kobalt – verringern. Etwa indem grössere Anteile an Mineralien verwendet werden, die als weniger problematisch gelten – z. B. Nickel, Mangan und Aluminium.

◾ Rohstoffe für Batterien sollen in Zukunft vermehrt rezykliert statt in Minen gefördert werden, um die Umwelt und natürliche Ressourcen zu schonen und die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung nicht zu beeinträchtigen.

◾ Rezyklieren kann technisch aufwändiger und teurer sein, als Rohstoffe in der Natur zu gewinnen. Dies gilt etwa für Lithium. Weil die Wirtschaft sich am jeweils tiefsten Preis ausrichtet, braucht es vermehrt Anreize und staatliche Regulierung, um Recycling und technische Innovation zu fördern.

◾ Die Batterien, die heute in die Elektroautos eingebaut werden, halten etwa 10 bis 20 Jahre. Ab 2030 werden also grosse Mengen an Altbatterien anfallen. Spätestens dann müssen die Kapazitäten vorhanden sein, um die Batterien und möglichst alle enthaltenen Rohstoffe zu rezyklieren – vorzugsweise mit Hilfe von wenig und erneuerbarer Energie!


Dieser Text wurde erstmals im März 2020 in der Auto-Umweltliste publiziert.


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