Elektrisch Richtung Süden

Antike Städte, das Zirpen der Zikaden und ein tropisch warmes Meer… aber auch widerspenstige Ladestationen und sogar ein eingesperrtes Auto: So sehen die überraschenden Abenteuer des Elektroautofahrers in Südfrankreich aus.

  • Luca Maillard, Spezialist Fahrzeugbewertung eco-auto
  • 4. April 2023
Ziel der Reise: Das Mittelmeer bei Toulon.
Bild: Luca Maillard / VCS


Freiburg, Freitag 15. Juli 2022. Am ersten Ferientag klettert das Thermometer in der Schweiz gegen 30 °C, an unserem Reiseziel, einem kleinen Dorf der Provence in Südfrankreich, könnten es 40 °C werden. Wir füllen den Kofferraum des Opel Corsa-e entsprechend strategisch und schwitzen bereits kräftig.

Eine gut geplante Reise

Stéphane, der Fahrer des Autos, ist etwas besorgt wegen des Aufladens der Batterie. Er kennt die Ladestationen in der Schweiz sehr gut, das französische Netz hat er aber noch nie benutzt. Eine Planungs-App, direkt auf dem Bordcomputer installiert, soll ihn unterstützen. Nachdem er das Fahrzeugmodell und die Route eingegeben hat, zeigt das Tool die idealen Stationen für unsere 500 Kilometer lange Reise an. Es sind vier Ladehalte geplant.

Widerspenstige Schweizer Ladestation

Der erste Halt zwischen Lausanne und Genf lässt uns das Schlimmste befürchten. Auch nach mehreren Versuchen und mit Unterstützung des Kundendienstes ist es unmöglich, die Ladestation zu aktivieren. Wir fahren weiter mit halbleerer Batterie – bzw. mit halbvoller für die Optimisten an Bord. Um den Verbrauch zu senken und die Reichweite zu erhöhen, kombiniert Stéphane die guten Praktiken: aktivierter «Eco»-Fahrmodus, Idealgeschwindigkeit bei 110 km/h eingestellt und Kühlung auf 24°C begrenzt. So erreichen wir gerade noch knapp mit letzter Reichweite den nächsten Rastplatz bei Annecy.

Effizientes Aufladen in Frankreich

Um die französische Ladestation zu aktivieren, müssen wir nur mit dem Smartphone einen QR-Code scannen und ein paar persönliche Informationen sowie die Daten einer Kreditkarte eingeben. Das Aufladen dauert ungefähr 30 Minuten, eine angemessene Zeit, um sich die Beine zu vertreten und einen Kaffee zu trinken. Anschliessend halten wir auf der Höhe von Grenoble und warten darauf, dass eine Ladestation frei wird, als nächstes dann in Montélimar. In der Abendwärme begleiten die Zikaden unsere letzte Pause mit ihrem betörenden und kräftigen Zirpen, das sogar den Lärm der Autobahn zu übertönen vermag. Der Sonnenuntergang färbt den Horizont in ein flammendes Muster – ein traumhafter Empfang in der Provence. Wir nutzen das aus, um die Batterie voll aufzuladen und mit noch hoher Reichweite am Ziel anzukommen, da die Ferienunterkunft über keine Ladestation verfügt. Die Restladung wird ausreichen, um in den nächsten Tagen die Umgebung zu erkunden, darunter die antike Stadt Carpentras und die schwindelerregenden Felszacken der Dentelles de Montmirail.

Empfang in der Provence, Schnellladestation auf der Autobahnraststätte Montélimar. Bild: Luca Maillard / VCS

Ein Ausflug ans Meer

Nach der Provence erwartet uns eine neue Reise – mit Ziel Côte d’Azur. Auch hier erweist sich eine gute Planung als wichtig. Um den kleinen Badeort Lavandou zu erreichen, müssen wir ungefähr 200 Kilometer auf Autobahnen fahren, auf denen es fast keine Ladestation gibt. Stéphane entschliesst sich deshalb, am Vorabend der Abfahrt die Batterie in einem grossen Einkaufszentrum vollständig aufzuladen. So absolvieren wir die Reise an einem Stück und erreichen am späten Vormittag das Meer. Der Strand ist herrlich, in den Riffen tummeln sich kleine farbige Fische. Die Temperatur des ungewöhnlich warmen Wassers erfreut die «Gfrörlis» und beunruhigt die Umweltbewussten, je nach Standpunkt.

An der Ladestation blockiertes Auto

Aus technischer Sicht geht die Energiewende langsam, aber stetig voran: «Wir haben noch keine Ladestationen, sie werden nächste Saison installiert», erklärt uns die Hotelmanagerin mit ihrem starken südlichen Akzent. Das zwingt uns zum Aufladen im Supermarkt des Dorfes. Die Ladestation ist nicht allzu leistungsstark, so müssen wir das Fahrzeug während mehreren Stunden dort lassen.

Wir finden den Opel voll aufgeladen, aber eingesperrt hinter einer Metallbarriere auf dem Parkplatz des Supermarkts.

Am Abend finden wir den Opel voll aufgeladen - aber eingesperrt hinter einer Metallbarriere auf dem Parkplatz des Supermarkts vor. Unmöglich, ihn herauszuholen, das ganze Personal ist schon weg. Die Tankstelle daneben bleibt jedoch zugänglich und wir blicken etwas neidisch auf die Autofahrenden, die dort volltanken. Zum Glück brauchen wir unser Auto nicht sofort, so holen wir es bei der Öffnung des Parkplatzes am nächsten Morgen.

Erstklassiger Kundendienst

Auf dem Rückweg erwartet uns unterwegs eine brandneue Ladestation. Es hat genug Plätze, die App ist leicht zu öffnen… nur der allerletzte «ok»-Knopf lässt sich auf dem Smartphone nicht aktivieren. Wir rufen den Kundendienst an, der den Knopf zum Glück aus der Ferne aktivieren kann. Als Entschädigung für die Unannehmlichkeit dürfen wir sogar gratis aufladen. Diesmal schauen wir ohne jede Eifersucht unseren Nachbarn zu, wie sie ihren Tank mit Benzin füllen und sich ihr Geld in (erst noch umweltschädlichen) Rauch auflöst.

Klima-«Kompensation»

Bei dieser knapp 1'000 Kilometer langen Reise senkt die Nutzung eines Elektroautos die Klimabelastung um 70% und vermeidet, im Vergleich zu einem Verbrenner, Emissionen von über 100 kg CO2. Das kompensiert bei weitem die paar «Überraschungen», die uns unterwegs erwartet haben, und macht Lust auf weitere Abenteuer.

Praktische Tipps

Reichweite: Mit einer Reichweite planen, die wegen des hohen Verbrauchs auf der Autobahn ungefähr 20% unter dem angegebenen offiziellen Wert liegt. Lesen Sie unseren Artikel zum Thema.

Planung: Vor der Abreise aufgrund der Reichweite die idealen Ladestationen orten. Die Batterie muss nicht immer zu 100% aufgeladen werden, eine 80%-Ladung bietet die beste Zeiteffizienz. Eine Planungs-App nutzen, beispielsweise ABRP.

Bezahlung: Eine internationale Ladekarte (z. B. Move oder ChargeMap) ist praktisch und erleichtert das Bezahlen. Oft reichen auch eine Kreditkarte und ein Smartphone aus. Den QR-Code der Station nutzen, um rasch zur Online-Aktivierung zu gelangen. Bei Problemen den Kundendienst anrufen. Lesen Sie auch unseren Artikel über das Laden in der Schweiz.

Aufladen vor Ort: Wenn die Unterkunft über keine Ladestation verfügt, suchen Sie Schnellladestationen in der Nähe oder planen Sie ein zusätzliches Aufladen vor der Ankunft ein, um vor Ort genügend Reichweite für die täglichen Fahrten zu haben.