Von Explosionen angetrieben

Das Szenario ist nicht an den Haaren herbeigezogen: Der Elektroantrieb hat sich seit den Anfängen des Automobils durchgesetzt. Die Stadtluft ist frisch, das Strassenbild geprägt von leise surrenden Elektroautos. Herr Müller betritt den Showroom seines Autohändlers, um sich beraten zu lassen.

  • Anette Michel, Projektleiterin eco-auto.info
  • 17. Mai 2023
«Benzin ist ein etwas giftiger und sehr explosiver Kohlenwasserstoff. Das Auto hat etwa 60 Liter davon an Bord.»
Illustration: muellerluetolf.ch / Samira Oschounig


Autohändler: Guten Tag Herr Müller. Auf der Suche nach einem neuen Wagen?

Herr Müller: In der Tat. Haben Sie etwas Passendes?

A: Für Sie habe ich etwas ganz Neues. Schauen Sie sich dieses Modell an.

M: Sieht aus wie ein normales Auto. Wobei.. diese grossen Lufteinlasse hier vorne. Und wofür ist das Rohr da hinten? Produziert dieses Auto etwa Abwasser?

A: Fast. Es produziert Abluft. Dieses Modell wird nämlich von einem Benzinmotor angetrieben!

M: Einem Benzinmotor! Was bietet der denn für Vorteile?

A: Dank dem grossen Tank und der hohen Energiedichte von Benzin haben Sie eine unschlagbare Reichweite von über 1000 Kilometern.

M: 1000 Kilometer? So eine Strecke habe ich noch gar nie zurückgelegt. Eigentlich fahre ich nur selten über 100 Kilometer, meist sogar deutlich weniger. Aber was ist denn dieses Benzin eigentlich, und wie treibt es den Motor an?

A: Benzin ist ein etwas giftiger und sehr explosiver Kohlenwasserstoff. Das Auto hat etwa 60 Liter davon an Bord. Im Motor wird es mit Sauerstoff gemischt, damit ganz viele kleine Explosionen entstehen. Diese treiben über Kolben den Motor an. Das läuft zwar nicht ganz so rund und gleichmässig wie beim Elektromotor. Dank der hervorragenden Ingenieursleistung ruckelt es aber kaum, und das Auto ist nur etwa dreimal weniger effizient als ein Elektroauto. Schauen Sie sich diesen Motor an – er besteht aus etwa sieben Mal mehr Teilen als ein Elektromotor. Darum muss mit etwas mehr Verschleiss und Defekten gerechnet werden. Aber glauben Sie mir - es lohnt sich.

Das Auto ist nur etwa dreimal weniger effizient als ein Elektroauto.

M: Und wie komme ich zu diesem Benzin? Kann ich das wie den Strom über Nacht zu Hause nachladen?

A: Das geht leider nicht. Sie müssen dafür zu einer sogenannten Tankstelle fahren. Dort geben Sie für das Benzin etwa drei mal mehr Geld aus als für den Strom des Elektroautos. Dafür geht das Tanken sehr schnell, und im Tankstellen-Shop können Sie gleich noch Fertigpizza und Billigbier kaufen.

M: Dafür ist das Benzin bestimmt umweltschonender in der Herstellung als Strom.

A: Hm. Benzin wird aus Erdöl hergestellt, das neben den USA vor allem in Russland und Saudi-Arabien aus dem Boden gepumpt wird. Bei der Förderung und beim Transport können ganze Landstriche verschmutzt werden. Beim Fahren gelangt der fossile Kohlenstoff dann als CO2 in die Atmosphäre und trägt zum Klimawandel bei. Da der Treibstoff nicht sauber verbrennt, entstehen zusätzlich gesundheitsschädliche Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide. Diese können auch durch aufwändige Filter und Katalysatoren nicht vermieden werden. Das Auto hält aber alle geltenden Grenzwerte ein, glauben Sie mir. Und Sie sind damit unabhängig von Wasser- und Sonnenenergie. Setzen Sie sich doch mal rein!

M (setzt sich ins Auto): Oh, ist dieses Modell etwa für Menschen mit drei Beinen? Und wofür ist dieser Joystick?

A: Haha, nein, diese drei Pedale können Sie mit zwei Füssen bedienen. Und der Joystick ist der Schalthebel: da der Benzinmotor etwas komplizierter als ein Elektromotor ist, braucht er fünf bis sechs Gänge, um verschiedene Geschwindigkeiten abdecken zu können. Es braucht bloss etwas Übung – am besten in ein paar Fahrstunden.

M: Und wo kann ich die Rekuperationsstufe einstellen?

A: Es ist keine Rückgewinnung der Energie beim Bremsen möglich. Das ist wohl ein kleiner Nachteil dieser Technologie. Aber drehen Sie doch mal den Zündschlüssel – dabei Bremse und Kupplung drücken! So starten Sie den Motor und hören, warum Ihnen mit diesem Modell die Aufmerksamkeit Aller sicher ist.

(Herr Müller startet den Motor)

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Die Geschichte des Autos hätte elektrisch sein können

Um 1900 hatten rund 20 Prozent der Autos einen Verbrennungsmotor; Autos mit Elektro- respektive Dampfmaschinenantrieb kamen auf je 40 Prozent . Auch in der Schweiz wurden Elektroautos gebaut. Elektroautos galten als zuverlässiger als Benzinmodelle, hatten aber mit ihren schweren Bleibatterien eine geringe Reichweite. Die hohe Energiedichte von Benzin ermöglichte längere Distanzen. Der Verbrennungsmotor setzte sich bei Autos ab dem ersten Weltkrieg durch. Auch der Zeitgeist verhalf den Verbrennungsmotoren zum Durchbruch: Die lärmigen Benziner dienten als Statussymbol und standen für Männlichkeit, Abenteuer und Fortschritt.