Wie das Benzin in die Zapfsäule kommt

Tanken ist buchstäblich kinderleicht: Zapfstutzen rein und drücken – bezahlen und weg. Wahrlich kein Prozess, der angestrengtes Denken erfordert. Dabei wäre die lange Kette von unzähligen Produktionsschritten und tausenden Transportkilometern durchaus einige Gedanken wert.

  • Martin Winder, Projektleiter Verkehrspolitik VCS
  • 23. August 2022
Die einzige Erdölraffinerie der Schweiz in Cressier im Kanton Neuenburg produziert mehr als einen Viertel der in der Schweiz verbrauchten Erdölprodukte.
Bild: Keystone − Markus A. Jegerlehner

Erdölprodukte deckten 2021 43% des Schweizer Energiebedarfs. Rund 4,8 Milliarden Franken fliessen jährlich für den Import von Rohöl oder Fertigprodukten wie Benzin und Diesel ins Ausland. Mehr als ein Viertel wird in Form von unverarbeitetem Erdöl via Pipeline importiert und in der Raffinerie Cressier im Kanton Neuenburg zu Endprodukten verarbeitet.

Verarbeitete Erdölprodukte gelangen auf unterschiedlichen Wegen in die Schweiz. Eine Produkte-Pipeline liefert Benzin, Kerosin und Heizöl aus Frankreich nach Vernier im Kanton Genf. Die beiden Pipelines nach Cressier und Vernier decken rund einen Drittel des Schweizer Bedarfs. Ungefähr gleich viele Tonnen Erdölprodukte werden per Bahn importiert. An dritter Stelle steht der Import per Schiff über den Rhein. Kleinere Mengen werden auch per Lastwagen eingeführt.

Rohöl und verarbeitete Erdölprodukte gelangen hauptsächlich über Pipelines aus Frankreich, per Schiff über den Rhein oder per Bahn in die Schweiz.

Zur Bedeutung der Rheinschifffahrt für die Versorgung der Schweiz mit Erdölprodukten sagt Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsleiter von Avenergy (ehemals Erdölvereinigung): „Die Transportkosten pro Tonne sind oft niedriger als auf der Schiene, da der Schiffstransport natürlich ein sehr effizienter ist. Daneben gibt es aus Deutschland keine Pipeline, so dass der Weg per Schiff eigentlich der einzige ist, auf welchem man die benötigten Kapazitäten überhaupt darstellen kann. Allein aus Deutschland hat die Schweiz im vergangenen Jahr 3,7 Millionen Tonnen Mineralölprodukte importiert. Das sind gewaltige Mengen, die man nur per Pipeline oder Schiff transportiert bekommt.“

Mit 44% sind Erdöl und Erdölprodukte die grösste Frachtkategorie am Rheinhafen Basel.

Umgekehrt ist aber auch der Erdöltransport von zentraler Bedeutung für die Rheinschifffahrt. Mit einem Anteil von 44% sind Erdöl und Erdölprodukte die mit Abstand grösste Frachtkategorie, die am Rheinhafen Basel verladen wird.

Höhere Benzinpreise wegen der Klimaerhitzung

Die grosse Abhängigkeit von der Rheinschifffahrt ist ein Risiko für die Versorgungssicherheit. Aufgrund der lange anhaltenden Trockenheit in diesem Jahr ist der Rheinpegel derart tief, dass die Transportschiffe deutlich weniger Waren laden können. So berichtete die NZZ, dass Schiffe, die üblicherweise 3000 Tonnen transportieren, nur noch 900 bis 1000 Tonnen laden. Dadurch steigen auch die Transportkosten massiv an, was sich natürlich auch auf die Preise an den Zapfsäulen auswirkt. Ein Ausweichen auf die Bahn oder auf Lastwagen ist nur bedingt möglich, da dort kaum freie Transportkapazitäten bestehen. Um Versorgungsunterbrüchen vorzubeugen, hat das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung einen Teil der Pflichtlagerreserven für Mineralölprodukte freigegeben. Aufgrund der Klimaerhitzung werden tiefere Rheinpegel und somit auch höhere Transportkosten immer häufiger auftreten.

Rohöl wird direkt aus den Förderstaaten importiert. Die Lieferstaaten der Erdölprodukte verarbeiten grösstenteils Rohöl, das aus Drittstaaten importiert wurde. Rund 60% der Erdölprodukte wurde aus Deutschland eingeführt. Das dort verarbeitete Rohöl stammte im vergangenen Jahr noch zu rund einem Drittel aus Russland.

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Der Löwenanteil an Erdöl wird in verarbeiteter Form aus Deutschland in die Schweiz importiert. 2021 stammte noch rund ein Drittel des in Deutschland verarbeiteten Rohöls aus Russland.

Eine aktive Politik zur Beeinflussung der Herkunft von Erdölprodukten kennt die Schweiz nicht. Laut Bilger entscheiden die Unternehmen selbst, woher sie Erdöl und Erdölprodukte importieren. „Solange der Bundesrat die Wirtschaft in der Lage sieht, diese Versorgung sicher zu stellen, mischt er sich nicht in diese Aufgabe ein. Jedes Unternehmen ist in der Wahl seiner Handelspartner frei – natürlich unter der Berücksichtigung geltender Sanktionen.“

USA – Ölexporteur dank Fracking

Die USA haben als Erdöllieferant stark an Bedeutung gewonnen. Noch vor wenigen Jahren war die USA auf Erdölimporte angewiesen. Aufgrund des vermehrten Einsatzes von Hydraulic Fracturing (Fracking) konnten die USA ihre Erdöl- und Erdgasförderung in den letzten Jahren stark steigern und wurden zum Erdöl-Exporteur. Beim Hydraulic Fracturing wird Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in den Untergrund gepumpt um das Gestein aufzubrechen und die Vorkommen zu erschliessen. Das Fracking-Verfahren gilt als sehr umweltschädigend, da die verwendeten Chemikalien teilweise hochgiftig sind und ins Grundwasser gelangen können. Lesen Sie dazu unseren Bericht über Fracking in Argentinien.

Russische Invasion in der Ukraine als Zäsur

Seit Beginn der Russischen Invasion in die Ukraine bemühen sich die westlichen Staaten, Energieimporte aus Russland zu reduzieren. Ende Mai beschlossen die EU-Staaten ein weitgehendes Erdöl-Embargo gegen Russland. Erdölimporte auf dem Seeweg wurden per sofort verboten, die Pipeline-Importe nach Deutschland und Polen sollen bis Ende 2022 eingestellt werden. Weiterhin zulässig ist danach nur noch der Import von Russischem Öl via Pipeline nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei. Diese Binnenstaaten hatten sich gegen ein vollständiges Embargo gewehrt, da sie ihre Versorgungssicherheit gefährdet sahen. Mit dem Embargo gehen die Erdölimporte aus Russland bis Ende 2022 um rund 90% zurück. Die Schweiz hat sich dem Embargo ebenfalls angeschlossen, ist gemäss Bilger jedoch kaum davon betroffen. „Derzeit sind keine Konsequenzen in Bezug auf die Versorgung zu erwarten.“

Kurzfristig will die EU das russische Öl grösstenteils durch Importe aus anderen Förderstaaten ersetzen. Doch sollen auch Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, sowie zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energie den Verbrauch reduzieren. Somit dürfte der Erdölverbrauch insgesamt in den kommenden Jahren sinken. Im besten Fall beschleunigt sich nun die Abkehr von fossilen Energieträgern.

CO2-Emissionen pro Liter Benzin

Die Förderung, der Transport und die Verarbeitung von Erdöl verbrauchen ebenfalls Treibstoffe und Strom. Erdölraffinerien verbrennen rund 5% des Erdöls, um die restlichen 95% zu verarbeiten. Zudem wird vielerorts das bei der Erdölförderung als Nebenprodukt anfallende Erdgas abgefackelt, weil die Infrastruktur zu dessen Nutzung fehlt. Auf dem Weg vom Bohrloch bis zur Tankstelle wird pro Liter Benzin bereits über ein halbes Kilogramm CO2 ausgestossen. Bei der Verbrennung des Benzins im Automotor entstehen dann nochmal 2.31 Kilogramm CO2 pro Liter.