«Tiefe Energie- und Servicekosten gleichen die höheren Preise aus.»

Das Bundesamt für Energie (BFE) hat im März eine Studie publiziert, welche die Gesamtkosten für Besitz und Nutzung von Autos mit verschiedenen Antrieben vergleicht. Die Studie wurde von externen Experten erarbeitet, Jean-Marc Geiser hat sie für das BFE als Auftraggeber begleitet. Hier erklärt er, warum Elektroautos fast immer tiefere Kosten verursachen als Verbrenner.

  • Interview: Anette Michel, Projektleiterin eco-auto.info
  • 20. Juni 2023
«Tiefe Energie- und Servicekosten gleichen die höheren Anschaffungskosten von Elektroautos über die gesamte Besitzdauer aus.»
Illustration: blitzartgrafik


Jean-Marc Geiser, was war der Auslöser für die Studie?

In der Mobilität verändert sich derzeit vieles. Mit der Studie wollten wir die häufigsten Fragen zu den Kosten umfassend analysieren. Dazu haben wir mehr als 50 Automodelle mit Verbrennungsmotor, Plug-in-Hybrid oder Elektroantrieb ausgewählt und in vier Kategorien eingeteilt, um möglichst ähnliche Modelle zu vergleichen.

Die Studie bestätigt die These, Elektroautos hätten zwar einen höheren Kaufpreis als Autos mit Verbrennungsmotor, seien aber über die gesamte Besitzdauer günstiger. Bei welchen Kostenarten machen Elektroautos den höheren Kaufpreis wett?

Tiefe Energie- und Servicekosten gleichen die höheren Anschaffungskosten über die gesamte Besitzdauer aus. Unter Berücksichtigung des Restwertes sind die Gesamtkosten niedriger. Unterschiede zeigen sich, wenn lediglich die Beschaffungskosten – der Kaufpreis abzüglich des Restwertes – verglichen werden: Dann sind Elektroautos aufgrund ihres höheren Restwertes in der Mittel- und Oberklasse etwa 5% günstiger als Verbrennermodelle. Hingegen sind elektrische Kleinwagen 27% und SUV 12% teurer in der Beschaffung als Verbrennerautos.

Welche weiteren Bestandteile der Total Cost of Ownership (TCO = Gesamtkosten des Besitzes) berücksichtigt die Studie?

TCO fasst alle Kosten zusammen, für die ein Eigentümer oder eine Eigentümerin eines Autos über die gesamte Besitzdauer aufkommen muss. Also von der Anschaffung des Autos bis zum Wiederverkauf. Die Studie geht von einer Besitzdauer von 8 Jahren bei einer Fahrleistung von 15‘000 km/Jahr und einem Neuwagen aus und berücksichtigt neben den Beschaffungs-, Energie- und Servicekosten die Kosten für Reifen, die Motorfahrzeugsteuer, Versicherung, Fahrzeugpflege sowie bei Elektromodellen die Ladeinfrastruktur.

Eco-auto.info hatte mit einer Beispielrechnung für einen Kleinwagen aufgezeigt, dass der Elektroantrieb günstiger sein kann. Gemäss den Studienergebnissen ist der Kostenvorteil des Elektroantriebs in der Mittelklasse, Oberklasse und bei den SUV grösser als bei Kleinwagen. Wieso ist das der Fall?

Das liegt daran, dass der Kaufpreis eines Elektroautos in der Kategorie Kleinwagen im Vergleich zu einem Auto mit Verbrennungsmotor erheblich höher ist. Die höheren Anschaffungskosten – einschliesslich der heimischen Ladestation – werden aber durch die niedrigeren Energie- und Wartungskosten mehr als ausgeglichen.

Der Kaufpreis von Elektroautos ist heute bis zu 20% höher als jener von Autos mit Verbrennungsmotor. Wie sieht die Preisdifferenz in den untersuchten Kategorien aus?

Wir haben 52 Automodelle analysiert. Es zeigte sich, dass die Preisdifferenz bei Kleinwagen mit 21% am grössten ist. Bei SUV sind Elektromodelle 14% und in der Oberklasse 7% teurer als vergleichbare Verbrenner. Keinen Preisunterschied gibt es bei Mittelklassewagen. Plug-in-Hybride sind um 7 bis 15% teurer als Verbrenner.

Gemäss der Studie sind die Kosten für den Ladestrom von Elektroautos 70% geringer als die Treibstoffkosten von Autos mit Verbrennungsmotor. Für die Berechnung der Energiekosten wurde angenommen, dass Elektroautos meistens zu günstigen Stromtarifen zu Hause geladen werden. Wie sehen die TCO aus, wenn zu höheren Tarifen geladen werden muss?

Für die TCO nehmen wir an, dass 90% der Energie zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen wird und die restlichen 10% unterwegs. Dabei rechnen wir mit einem Durchschnittspreis von 23 Rappen je kWh. Da die Energiepreise recht instabil sind, haben wir im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse verschiedene Hypothesen simuliert: Zunächst die Auswirkungen einer Erhöhung des Stromtarifs auf 30 Rappen pro kWh, dann eine Senkung des Kraftstoffpreises auf 1,70 CHF/Liter und schliesslich eine Kombination beider Varianten. Die Hypothesen zeigten, dass die Auswirkungen auf die TCO insgesamt gering sind. Wird nur der Treibstoffpreis ODER nur der Strompreis variiert, haben Elektroautos geringere Kosten als Verbrenner. Bei tieferem Treibstoffpreis UND höheren Strompreis sind bei Mittelklasse, Oberklasse und SUV die TCO von Elektroautos weiterhin niedriger als bei Verbrennern. Lediglich bei Kleinwagen haben Elektroautos die gleichen Kosten wie die Verbrenner.

«Wenn man von einem Mittelklassewagen auf einen elektrischen SUV umsteigt, steigen die Gesamtkosten um fast 30%.»

Oft hört man, die Unsicherheiten in Bezug auf die Batteriealterung seien ein Risiko für den Restwert der Elektroautos. Was ergibt die Studie hierzu?

Zwar stellen die Alterung der Batterie und der Restwert des Autos grundsätzliche Risiken dar, diese können aber in der Regel als gering eingestuft werden. Bei normalem Ladeverhalten ist die Alterung der Batterie nämlich kein Problem: Zurzeit wird bei rund 1’000 bis 1’500 Ladezyklen von einer Lebensdauer von 300'000 bis 450'000 km ausgegangen. Die Garantie deckt die Leistung der Batterie je nach Hersteller für 8 bis 10 Jahre und 150‘000 bis 200’000km.

Für die Berechnungen wurden verschiedene Annahmen getroffen. Beispielsweise wird vorausgesetzt, dass die Autos 15'000 Kilometer pro Jahr zurücklegen und 8 Jahre im Besitz des Käufers oder der Käuferin bleiben. Wie robust sind die Ergebnisse in Bezug auf die Annahmen?

Die einzelnen Faktoren für die Berechnung der Kosten über die gesamte Besitzdauer sind sehr individuell und beeinflussen die Gesamtkosten unterschiedlich stark. Um die Ergebnisse zu prüfen, wurden verschiedene Annahmen variiert. Die Analysen zeigen, dass die Ergebnisse sehr robust sind. Die Elektroautos der Mittelklasse, Oberklasse und SUV sind über die Besitzdauer gesehen im Vergleich zu Verbrennerautos in allen Fällen günstiger oder gleich teuer. In der Kategorie Kleinwagen traf dies auch in neun von zehn Sensitivitätsanalysen zu. Einzig die gleichzeitige Reduktion der Fahrleistung von 15'000 km/Jahr auf 10'000 km/Jahr und der Besitzdauer von 8 auf 6 Jahre führte zu 4% höheren Gesamtkosten bei den Elektroautos gegenüber Verbrennerautos.

Wie schneiden Plug-In-Hybride bezüglich TCO ab – insbesondere, wenn die Erkenntnisse berücksichtigt werden, wonach sie weniger als 50% der Strecken elektrisch zurücklegen?

Für diese Sensitivitätsanalyse wurde der Kraftstoff- und Stromverbrauch von PHEV-Fahrzeugen so korrigiert, dass der elektrische Fahranteil nur der Hälfte des elektrischen Fahranteils nach WLTP entspricht. Daraus geht hervor, dass die Gesamtkosten von PHEVs dann um etwa 5% höher sind als die von Autos mit Verbrennungsmotor.

Es werden Modelle gleicher Kategorie verglichen. Viele Kombi-Fahrer überlegen aber, von einem Mittelklassewagen zu einem Elektro-SUV zu wechseln, da es noch keinen Elektrokombi gibt. Wie wirkt sich dieser Wechsel auf den TCO-Vergleich aus?

Die Gesamtkosten für ein Elektroauto der Mittelklasse belaufen sich auf CHF 59'638.- Wenn man auf einen elektrischen SUV umsteigt, steigen die Gesamtkosten auf CHF 77'469.-, was einem Anstieg von fast 30% entspricht.

Gab es Erkenntnisse, die Sie überrascht haben?

Wenn man Äpfel mit Äpfeln vergleicht, ist man von den Ergebnissen nicht wirklich überrascht. Ich denke da vor allem an den Kaufpreis eines Elektrofahrzeugs der Mittelklasse, das nicht teurer ist als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Ich kann dieses Ergebnis persönlich bestätigen, als wir unser neues Elektroauto gekauft haben. Ansonsten war ich positiv überrascht, dass die Sensitivitätsanalyse die Solidität der Ergebnisse untermauert hat. Ich denke hier z.B. an die Aussage, dass bei einem Rückgang des Benzinpreises und einem Anstieg des Strompreises die Auswirkungen auf die Endergebnisse minimal sind.

Wie verwendet das BFE die Ergebnisse nun?

Wir können damit verschiedene Fragen von unterschiedlichen Zielgruppen beantworten, indem wir uns auf wissenschaftliche, aktuelle und mit Quellen belegte Daten stützen können. Wir nutzen die Kanäle des Programms EnergieSchweiz, um diese Informationen zu verbreiten, insbesondere auf den Plattformen «Fahr mit dem Strom.ch» oder «laden-punkt.ch», die Themen rund um die Elektromobilität aufzeigen.

Alle Details zur Studie über die Gesamtkosten von Personenwagen finden Sie in den im März 2023 veröffentlichten Dokumenten.

Jean-Marc Geiser ist Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie.

Bild: BFE

Jean-Marc Geiser ist Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie und Experte für das Kaufverhalten von energieeffizienten Fahrzeugen, für energieeffizientes Fahren, Fahrzeugunterhalt und die Förderung der Elektromobilität. Davor war er in Garagen als Mechaniker, bei Autoimporteuren als technischer Instruktor, bei Konsumentenschutzorganisationen als Projektleiter und bei Zulieferern der Autoindustrie als Leiter eines Kompetenzzentrums tätig.