Im laufenden Jahr stockt die Elektrifizierung bei Fahrzeugen. Letztes Jahr erreichte der Marktanteil der reinen Elektroautos 21%, im laufenden Jahr bis Mitte November erst 19%. Gar drastische Rückschritte zeichnen sich bei den Lieferwagen ab. Dabei waren rasch ansteigende Verkaufszahlen der Elektromodelle erwartet worden, die deutlich geringere Treibhausgasemissionen verursachen als die althergebrachten Verbrenner.
Ab 2025 erwarten wir eine klare Steigerung des Marktanteils bei den rein elektrischen Fahrzeugen.
Ab dem nächsten Jahr sollen sich diese Erwartungen erfüllen: «Ab 2025 erwarten wir eine klare Steigerung des Marktanteils bei den rein elektrischen Fahrzeugen», prognostiziert Sebastian Dickenmann, Fachspezialist Energieeffizienter Verkehr beim Bundesamt für Energie. Dickenmanns Einschätzung fusst auf den politischen Vorgaben zu den durchschnittlichen CO2-Emissionen der Neuwagenflotten: diese Vorgaben werden ab nächstem Jahr ungefähr 20% strenger. Neu verkaufte Personenwagen sollen im Durchschnitt noch 94 g CO2 pro Kilometer ausstossen, für leichte Nutzfahrzeuge gilt ein Zielwert von 154 gCO2/km. «Erstmals müssen zudem auch Importeure von schweren Nutzfahrzeugen, also LKW, deren Emissionen reduzieren; und zwar um 15% gegenüber 2020», ergänzt Dickenmann.
Wichtige Elektroverkäufe
Bei der Berechnung wird davon ausgegangen, dass reine Elektroautos kein CO2 ausstossen. Jedenfalls sind die Verkäufe von reinen Elektroautos eine der wichtigsten Möglichkeiten für Importeure, um ihre Zielwerte zu erreichen. Branchenkenner schätzen deshalb, dass die aktuelle Stagnation der Elektroverkäufe mit den ambitionierteren Zielen ab nächstem Jahr zu tun hat: ab 2025 braucht der Autohandel die Verkäufe von Elektromodellen dringender als dieses Jahr. «Wir beobachteten auch vor Inkrafttreten der neuen Zielwerte 2012 und 2020 ein Aufschieben CO2-armer Modelle, danach aber eine starke Zunahme effizienter und batterieelektrischer Fahrzeuge», bestätigt Dickenmann. Eine ähnliche Entwicklung erwartet er auch 2025, zumal viele Hersteller neue, auch günstige elektrische Modelle auf den Markt brächten.
2023 unterboten die Autoimporteure den bisherigen
Zielwert erstmals («Neuwagen gesamt»). Die durchschnittlichen CO2-Emissionen
der Autos mit Verbrennungsmotor («ohne Steckerfahrzeuge») liegen jedoch weit
darüber. Nach 2020 fand die Umstellung vom alten (NEFZ) auf den neuen
Messstandard (WLTP) statt. Diese brachte höhere, realitätsnähere Messwerte mit
sich.
Eine weitere Möglichkeit, um die Flottenemissionen zu reduzieren, ist die Priorisierung von effizienteren Modellen mit Verbrennungsmotor – insbesondere Mildhybride erleben dadurch einen Boom. Ebenfalls mit sehr tiefen CO2-Emissionen schlagen Plug-in-Hybride (PHEV) zu Buche. Da diese Fahrzeuge aus verschiedenen Gründen in der Realität viel höhere CO2-Emissionen aufweisen als auf dem Papier, kommen die PHEV-Verkäufe allerdings nur den Importeuren und nicht dem Klima zugute.
Strategie: neue Elektroautos
In der Schweiz gehört Renault zu den wichtigsten Importeuren von Personenwagen und insbesondere von leichten Nutzfahrzeugen. Karin Kirchner, Kommunikationsleiterin bei Renault Schweiz, blickt den strengeren Flottenzielen für Personenwagen gelassen entgegen und sagt: «Renault hat so viele neue Elektroautos lanciert: etwa den Megane, den Scenic, die Ikonen R5 und R4; daneben zwei neue Modelle mit Vollhybrid-Antrieb. Wir gehen darum davon aus, dass wir auch 2025 die schärferen CO2-Ziele unterschreiten werden. Wir haben das bis heute jedes Jahr geschafft und mussten entsprechend noch nie Bussen bezahlen.» Im laufenden Jahr habe Renault 20% reinelektrische und insgesamt 76% elektrifizierte Fahrzeuge verkauft. «Für 2025 muss sich dieser Anteil aufgrund des strengeren CO2-Ziels nochmals erhöhen», stellt Kirchner klar und stützt damit die Erwartung von mehr Elektroverkäufen. Als grössere Herausforderung sieht sie die Ziele bei den Nutzfahrzeugen: «Aber auch da sind wir überzeugt, gemeinsam mit unseren Flottenkundinnen und -kunden die CO2-Emissionen durch den Umstieg auf Elektro-Versionen reduzieren zu können.»
Wir gehen davon aus, dass Renault auch 2025 die schärferen CO2-Ziele unterschreiten wird.
Nicht alle Importeure stellen sich den strengeren Flottenzielen so optimistisch wie Renault. Andere Importeure haben mehr Aufholbedarf, um nächstes Jahr kostspielige Sanktionen zu vermeiden. Auto-Schweiz, der Verband der Autoimporteure, fordert gar eine «zeitliche Flexibilisierung der CO2-Vorschriften».
Weitere Verschärfung der CO₂-Ziele
Dabei haben die Importeure neben der Elektrifizierung der Modellpalette weitere Möglichkeiten, um ihre Flottenziele zu erreichen. Sie können sich gegenseitig Fahrzeuge abtreten – deshalb weist auch Tesla in früheren Jahren CO2-Emissionen aus, obwohl die Marke nur Elektroautos verkauft. Oder sie können sich zu sogenannten Emissionsgemeinschaften zusammenschliessen. Wenn sie einen bestimmten Verkaufsanteil an Elektro- oder PHEV-Modellen erreichen, gibt es einen Bonus auf den Zielwert. Im Gegensatz zu vielen anderen Produkten, bei denen es strikte Vorschriften zum Energieverbrauch gibt, können Fahrzeugimporteure zudem das Überschreiten des Zielwerts und Sanktionen in Kauf nehmen. Die Kosten sind berechenbar: pro Gramm CO2 über dem Zielwert fallen 95 Franken an.
Empfehlenswert ist diese Strategie sicher nicht, denn es wird nicht bei den 2025er-Zielwerten bleiben. Ab 2030 folgt die nächste Stufe: Personenwagen sollen dann durchschnittlich noch 50 g CO2/km ausstossen, leichte Nutzfahrzeuge 90 g. Der letzte Schritt der Flottenziele wird dann eine vollständige Reduktion der CO2-Emissionen ab 2035 sein. Diese Ziele wurden kürzlich von der neuen Europäischen Kommission bestätigt – womit dem Lobbying des Verbandes der Europäischen Automobilhersteller eine Absage erteilt wurde.
2023 erreichten die Importeure von leichten
Nutzfahrzeugen erstmals den Zielwert. Wie bei den Personenwagen betrifft dieser
die durchschnittlichen CO2-Emissionen der neu verkauften Fahrzeuge.