Lieferwagenmarkt: die Elektrischen setzen sich noch nicht durch
Nachdem ihr Marktanteil 2023 13 Prozent erreichte, sind die Verkäufe elektrischer Lieferwagen im ersten Semester 2024 auf 6 Prozent eingebrochen. Verbrennungsmotoren haben bei den Neuzulassungen trotz ihrer lausigen Umweltbilanz immer noch die Nase vorn.
- Luca Maillard, Spezialist Fahrzeugbewertung eco-auto
- 17. Juli 2024
Bild: Mercedes-Benz
Im Dezember 2023 rollte eine Welle elektrisch betriebener Lieferwagen in die Schweiz: Jeder vierte Lieferwagen hatte einen rein elektrischen Antrieb. Im letzten Monat des Jahres lag der Marktanteil der E-Lieferwagen erstmals über 25 Prozent. Allerdings ist dieser Rekordwert wohl eher einem Effekt der CO2-Zielwerte geschuldet als einem wirklichen Marktumschwung.
Betrachtet man das ganze Jahr 2023, so zeigt sich, dass bloss 13% der neuzugelassenen Lieferwagen mit Elektromotor ausgerüstet sind. Ein eher schwaches Resultat im Vergleich zu den 21 Prozent Marktanteil bei den elektrischen Personenwagen. Betrachtet man das erste Halbjahr 2024, sieht es noch düsterer aus: E-Lieferwagen fallen mit bloss noch 5,8 Prozent der Neuzulassungen noch weiter zurück. Ein enttäuschender, ungenügender Wert für Fahrzeuge, die mit der besten Umweltbilanz aufwarten.
Fossil betriebene Motorisierungen dominieren den Markt weitgehend
Die Marktanteile von Lieferwagen, die mit Erdgas / komprimiertem Biogas (CNG) oder mit aufladbaren Hybriden betrieben werden, liegen seit mehreren Jahren bei praktisch null. Die bescheidene Modellpalette wird kaum zu einer Trendwende beitragen.
Deshalb wird die grosse Mehrheit der zurzeit verkauften Lieferwagen mit Benzin- und vor allem Dieselmotoren ausgerüstet und erreicht im ersten Halbjahr 2024 einen kumulierten Marktanteil von fast 94 Prozent.
Der Marktanteil der E-Lieferwagen ist im ersten Halbjahr 2024 stark zurückgegangen. Berechnung aufgrund der Neuzulassungen.
Der Krebsgang der Elektrischen hat mehrere Gründe
Aus Sicht von Thomas Weiss, Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie, gibt es mehrere Gründe für den Rückgang der Verkaufszahlen von elektrischen Nutzfahrzeugen im ersten Halbjahr 2024: «In den Vorjahren hatten die Marktanteile stark zugenommen. Unternehmen, die an Elektrofahrzeugen interessiert sind und als First Mover bezeichnet werden, haben den Schritt schnell vollzogen. Andere folgen dem Trend langsamer und sehen sich aktuell noch mit verschiedenen Barrieren konfrontiert.» Flottenverantwortliche von Grossbetrieben erwähnen hier etwa den im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor höheren Kaufpreis und die bescheidenere Auswahl, aber auch eine je nach Einsatzgebiet ungenügende Reichweite oder Nutzlast.
Es wird interessant zu sehen, wie sich die verschärften CO2-Zielwerte auf die Marktentwicklung auswirken werden.
Thomas Weiss
«Es wird interessant zu sehen, wie sich die verschärften CO2-Zielwerte für Neufahrzeuge ab 2025 auf die Marktentwicklung von elektrischen Nutzfahrzeugen auswirken werden», fügt Thomas Weiss hinzu. Die Importeure konnten dessen Zielsetzung 2023 erstmals einhalten, insbesondere wegen aussergewöhnlich vielen Neuzulassungen Ende Jahr. Diese Fahrzeuge, deren CO2-Emissionen mit dem Wert null in die Statistik eingehen, haben das Erreichen der Ziele erleichtert.
Gemäss unserer Analyse ist die «Elektrowelle» vom Jahresende vor allem auf Immatrikulationen der Importeure selbst zurückzuführen, die damit Sanktionen reduzieren oder vermeiden konnten. Verkauft werden die Fahrzeuge erst in den Folgemonaten, was eine Delle in den Neuzulassungen Anfang Jahr nach sich zieht.
Überdies könnten die für 2025 vorgesehenen strikteren Zielsetzungen die Importeure dazu veranlassen, den Verkauf elektrisch betriebener Fahrzeuge hinauszuschieben. Die Dachorganisation Transport and Environment hat dieses Phänomen unlängst analysiert, das für den stockenden Absatz von Elektroautos in der Europäischen Union verantwortlich zu sein scheint.
Noch kaum beachtete Vorteile, immer grösseres Angebot
Trotz Kommunikationsoffensiven vor allem des Bundesamts für Energie ist sich die Öffentlichkeit der Vorteile von Elektrofahrzeugen noch nicht wirklich bewusst, etwa der geringeren Betriebskosten. Unbemerkt ist auch geblieben, dass sich das Netz der Schnellladestationen und die Reichweite der Modelle stark entwickelt haben.
Ausserdem vergrössert sich das Angebot elektrisch betriebener Lieferwagen rasch. Renault hat kürzlich seinen Trafic E-Tech auf den Markt gebracht und VW hat den Start zum Verkauf seines ersten E-Transporters für Ende Jahr angekündigt. Bei Mercedes-Benz kann der neue eSprinter mit hoher Reichweite seit Kurzem vorbestellt werden, dasselbe dürfte bald auch für die Grosstransporter der Stellantis-Gruppe gelten.
Vielleicht werden diese Entwicklungen zur Ankurbelung des Verkaufs von E-Lieferwagen und damit zu einem stärker ins Gewicht fallenden Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele beitragen.
Weiter lesenLesen Sie auch unsere Porträts von Unternehmen, die
auf Elektrofahrzeuge setzen:
|