Auf leisen Sohlen zum Kunden

Eine Gärtnerei im Zürcher Oberland ist seit kurzem mit einen Elektro-Kipplader unterwegs. Er fährt mit dem Strom der firmeneigenen Photovoltaik-Anlage.

  • Mauro Schmid, Praktikant Verkehrspolitik beim VCS
  • 10. November 2021
Christian Bührle von Merlin Gärten hat viel Freude am neuen Elektro-Kipplader.
Bild: Mauro Schmid, VCS

Der Werkhof der Firma Merlin Gärten in Volketswil fällt auf. Das Gebäude ist aus Holz und das Dach ist mit Solarzellen bedeckt. Das ist für eine Gärtnerei ungewöhnlich. Wer noch näher kommt, sieht den brandneuen, elektrisch angetriebenen Kipplader vom Typ EV80 des Herstellers Maxus Motors auf dem Hof stehen – ein Fahrzeug, das in der Schweiz noch Seltenheitswert hat.

Vor elf Jahren liess Geschäftsinhaber Daniel Bühlmann eine Solaranlage bauen. Diese musste ersetzt werden. Vor dem Ersatz floss der Strom mehrheitlich ins Netz. «Weil die neue Anlage leistungsstärker ist, hatten wir den Wunsch, den Strom selbst zu nutzen», erklärt er.

Überschaubare Modellauswahl

Aus diesem Grund hat sich Bühlmann entschieden, ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Die Frage nach dem Modell stellte sich nicht gross: Es war klar, dass es für eine Gärtnerei ein Kipplader sein musste. In der Schweiz sind zurzeit lediglich zwei entsprechende Lieferwagen auf dem Markt: der Renault Master Z.E. und eben der Maxus EV80. «Ausschlaggebend waren die gute Beratung und die Verfügbarkeit zum Kaufzeitpunkt», sagt Bühlmann zum Entscheid für den kürzlich ausgelieferten Maxus.

Zwar kostet ein Elektro-Lieferwagen deutlich mehr als ein vergleichbarer Verbrenner, aber dafür sind die Betriebs- und Wartungskosten geringer. Der firmeneigene Solarstrom steht – ganz im Gegensatz zum Benzin – kostenlos zur Verfügung. Zudem spart die Gärtnerei beim Elektrofahrzeug durch die tiefere Verkehrsabgabe und geringere Unterhaltskosten.

Rundum ökologischer Betrieb

Bei Merlin Gärten spielt aber auch Idealismus mit. «Schon beim Neubau des Werkhofs haben wir ökologische Kriterien berücksichtigt», sagt Bühlmann und führt stolz durch das Gebäude. Die gesamte Konstruktion besteht aus Holz. Isoliert und beheizbar sind lediglich die Aufenthaltsräume und das Büro. Geheizt wird entweder mit dem Warmwasser der Sonnenkollektoren auf dem Dach oder über einen Pelletofen. Das Regenwasser wird in einem Tank gesammelt und für die Reinigung im Aussenbereich und die Bewässerung verwendet.

Die Stromproduktion der Solarzellen entspricht dem Verbrauch von neun Einfamilienhäusern und ist somit um ein Vielfaches höher als der Verbrauch des Lieferwagens. Nebst dem Elektro-Kipper werden noch diverse Elektro- Kleingeräte und -Werkzeuge, wie beispielsweise Heckenscheren, mit dem Solarstrom betrieben.

Der Maxus ist nicht jeden Tag im Einsatz und kann daher tagsüber geladen werden, wenn die Photovoltaikanlage auf dem Dach Strom produziert. Wird er an zwei Tagen nacheinander gebraucht, muss er über Nacht mit Strom aus dem Netz geladen werden. Das Laden dauert laut Hersteller 8.5 Stunden.

«Das Fahren ist viel angenehmer als mit den anderen Lieferwagen im Betrieb, bei welchen man am Schalthebel reissen muss»
Christian Bührle

Um den eigenen Strom noch besser nutzen zu können, möchte Bühlmann einen Stromspeicher anschaffen – damit der Lieferwagen in Zukunft auch in der Nacht mit dem eigenen Solarstrom geladen werden kann. Insgesamt sind bei Merlin Gärten sechs Lieferwagen in Betrieb. Die ganze Flotte zu elektrifizieren, ist im Moment nicht geplant. Die Anschaffungskosten für den Ersatz der fünf konventionellen Fahrzeuge wären schlicht zu hoch. Dafür plant Bühlmann den Kauf eines Cargobikes als Ergänzung zu den Lieferwagen.

Reichweite kaum ein Thema

Die Reichweite des Maxus beträgt 160 Kilometer. Da Merlin Gärten ein regional und lokal tätiges Unternehmen ist, legt ein Fahrzeug selten an einem Tag mehr Kilometer zurück. In solchen Ausnahmefällen können die Mitarbeitenden einfach die Fahrzeuge untereinander abtauschen. «Und in Notfällen dürfen wir ihn auch bei den Kundinnen und Kunden aufladen», sagt Bühlmann.

Christian Bührle ist Mitarbeiter bei Merlin Gärten und hat mit dem Maxus in den letzten Tagen erste Erfahrungen gemacht. Er hat viel Freude am neuen Elektro-Kipplader. Das Fahrzeug beschleunigt schneller als ein Verbrenner.

«Das Fahren ist viel angenehmer als mit den anderen Lieferwagen im Betrieb, bei welchen man am Schalthebel reissen muss», sagt Bührle. Der EV80 ist mit allem Komfort ausgestattet, den man von einem modernen Lieferwagen erwartet.

«Nur beim Überfahren von hohen Randsteinen und ähnlichen Hindernissen muss man aufpassen, dass man mit dem Wagen nicht auffährt», sagt er. Denn die Batterie ist unter dem Chassis angebracht und der Abstand zum Boden ist deutlich geringer als bei einem vergleichbaren Verbrenner. Verstärkt wird dieser Effekt durch den langen Radstand von 3,85 Metern. Auch Bühlmann ist überzeugt, dass sich das Fahrzeug bewähren wird: «Wir haben noch nicht viel Erfahrung damit, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Probleme haben werden.»

«Vorsichtig sein muss man beim langsamen Fahren», betont Bührle. Viele Leute seien es nicht gewohnt, einem lautlosen Lieferwagen zu begegnen und reagierten irritiert. Im Vergleich zu anderen Elektrofahrzeugen erzeugt der Maxus EV80 kein Warngeräusch beim langsamen Fahren.

Schon in der ersten Woche haben die beiden Männer positive Rückmeldungen zum Lieferwagen erhalten. Beim Baustoffhändler etwa wollten andere Kunden das Fahrzeug anschauen und waren überrascht, dass es wirklich komplett elektrisch ist.

Der elektrische Maxus EV80 Chassis-Kabine mit Kipper von Merlin Gärten. Im Hintergrund der Werkhof mit Photovoltaik und Sonnenkollektoren.

Bild: Mauro Schmid, VCS

Dieser Text wurde erstmals im November 2020 in der Lieferwagen-Umweltliste publiziert.


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