Batterierecycling konkret

Das Zürcher Unternehmen Kyburz baut Elektrofahrzeuge und geht beim Batterierecycling voran. Da kommen die Batterien aber erst nach drei «Leben» hin.

  • Anette Michel, Projektleiterin eco-auto.info
  • 21. Oktober 2024
Das Verfahren fürs Batterierecycling haben Olivier Groux und Martin Kyburz zusammen mit der Empa entwickelt.
Bild: Kyburz


Eine Säge schneidet das Gehäuse auf, dann wird der Inhalt der Batteriezelle ausgestossen. In einer zweiten Vorrichtung werden die Bestandteile mechanisch voneinander getrennt: Kathode rechts, Anode links. Die Separatorfolie wird aufgewickelt. Ein Recyclingspezialist legt Kathode und Anode in separate Wasserbäder, wo sich im einen nach einigen Sekunden das Lithiumeisenphosphat vom Aluminium löst und im anderen der Graphit von der Kupferfolie.

91% der Materialien können separiert werden.

Dies ist das Vorgehen, das die Firma Kyburz zusammen mit dem interdisziplinären Forschungsinstitut Empa für das Recycling ihrer Batterien entwickelt hat. 91% der Materialien können damit separiert werden. «Unser Verfahren kommt mit sehr wenig Energie und gänzlich ohne Chemie aus», betont David Flaschenträger, Produkt Manager Batterierecycling bei Kyburz.

Elektroroller in gelb

Kyburz ist die Firma im Zürcher Tösstal, welche die elektrischen Zustellfahrzeuge für die Post produziert. Auch im Ausland werden Briefe mit den dreirädrigen «DXP» aus Zürich zugestellt: von Island bis nach Australien liefert Kyburz seine Fahrzeuge in zahlreiche Länder. Neben Postfahrzeugen baut Kyburz auch elektrische Personen- und Nutzfahrzeuge. Über 30 000 «Kyburz» sind weltweit im Einsatz.

Nicht nur die schweizerische Post setzt für die Zustellung auf den «DXP» von Kyburz. Bild: Kyburz

Am Ende ihrer Lebensdauer gelangen die Fahrzeuge zurück zu Kyburz. Für die Entsorgung der Batterien hat die Firma bereits bei deren Import die vorgezogene Entsorgungsgebühr bezahlt – Kyburz könnte die Verwertung also der nationalen Entsorgungsorganisation Inobat überlassen. «Unserem Chef Martin Kyburz erschienen die gängigen Recyclingverfahren mit hohem Energieaufwand und geringen Rückgewinnungsraten nicht zufriedenstellend. Er wollte etwas Besseres», erzählt Flaschenträger. Über die Empa kam Martin Kyburz in Kontakt mit Olivier Groux, einem Umweltingenieur, der für seine Bachelorarbeit Batterien rezyklieren wollte. Dank hartnäckigem Tüfteln mit Kyburz-Batterien fand Groux schliesslich heraus, dass sich die Aktivmaterialien – Graphit und Lithiumeisenphosphat – mithilfe von Wasser von den Metallfolien lösen lassen, wenn die Batteriezelle vorher auf eine bestimmte Restspannung entladen wird.

Nutzung durch andere angestrebt

Heute umfasst das Batterierecycling-Team von Kyburz acht Mitarbeitende und die Anlage kann pro Jahr 200 Tonnen Batterien rezyklieren. Neben Batterien aus Kyburz-Fahrzeugen rezykliert das Team auch Batterien im Auftrag von Kunden aus der Schweiz und Deutschland. Weiter bietet Kyburz die Anlage zum Verkauf an und steht dafür mit interessierten Unternehmen in Kontakt. «Batterien sind ein Gefahrgut. Werden sie für das Recycling über grosse Distanzen transportiert, stösst das nicht nur unnötig viel CO2 aus, sondern birgt auch gewisse Sicherheitsrisiken“», erklärt Flaschenträger. Die Firma Kyburz empfiehlt das Verfahren deshalb für dezentrales Recycling direkt bei den Firmen, die die Batterien zurücknehmen. «Ein weiterer Vorteil ist, dass das Verfahren so jeweils für bestimmte Batterietypen optimiert werden kann», ergänzt Flaschenträger.

Stoffkreislauf schliessen

Auch die Recyclingmethode wird weiterentwickelt. So arbeitet das Kyburz-Team etwa daran, zusätzliche Arbeitsschritte zu automatisieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Reinheit der Aktivmaterialien. «Unser Ziel ist, die wertvollen Stoffe Graphit und Lithiumeisenphosphat in einer genug hohen Qualität zurückzugewinnen, damit sie wieder in Batterien eingesetzt werden können», sagt Flaschenträger. «Heute schaffen wir das noch nicht. Deshalb lagern wir diese Stoffe zurzeit ein, damit wir sie in Zukunft aufreinigen und wieder der Batterieproduktion zuführen können.» Die Metalle Aluminium und Kupfer hingegen sind nach dem Wasserbad rein und gelangen ins Metallrecycling.

Unser Ziel ist, die wertvollen Stoffe in einer genug hohen Qualität zurückzugewinnen, damit sie wieder in Batterien eingesetzt werden können.

Könnten die wiedergewonnenen Stoffe in neuen Batterien eingesetzt werden, würde dies den Bedarf an sogenannten Primär-Rohstoffen reduzieren. Dies ist dringend nötig, wird sich doch die Nachfrage nach Batterien wegen der Elektrifizierung des Strassenverkehrs vervielfachen. Laut einer Studie von Transport & Environment (T&E) kann Recycling bis 2030 40% des europäischen Bedarfes an kritischen Batteriestoffen decken, bis 2040 gar zwei Drittel.

Recycling erst nach drei «Leben»

Die Firma Kyburz geht nicht nur beim Recycling voran, sondern sorgt auch dafür, dass die Materialien vorher möglichst lange genutzt werden. Mustert nämlich die Post ihre Zustellfahrzeuge nach acht Jahren aus, kauft Kyburz diese zurück – und verkauft sie nach einer gründlichen Prüfung und Aufbereitung nochmals mit Garantie. «Bereits 5000 ‹DXP› hat Kyburz von der Post zurückgenommen», betont Flaschenträger. Nicht nur bei Privaten kommen die Fahrzeuge so zu einem zweiten Einsatz, sogar die Ungarische Post hat 800 dieser «2nd-Life-Fahrzeuge» bestellt. Doch damit nicht genug: die Batterien werden vor dem Recycling wenn möglich einem dritten Einsatz zugeführt: als stationäre Speicher, etwa in Liegenschaften mit einer Photovoltaikanlage. Erst danach haben sie ausgedient und werden in die Kyburz’sche Recyclingmaschine gesteckt.

Batterierecycling

Batterien in Elektroautos halten 10 bis 15 Jahre. In Zukunft gelangen grosse Mengen an Batterien ins Recycling – heute jedoch noch kaum. Entsprechend werden die Recyclingkapazitäten in Europa erst allmählich hochgefahren. In der Schweiz gelangen Altbatterien heute zur Batrec in Wimmis (BE), welche die Bestandteile mit einem thermischen Verfahren trennt. Bald will zudem die Firma Librec im solothurnischen Biberist eine Fabrik für zentralisiertes Batterierecycling im grossen Stil in Betrieb nehmen. Auch Librec verspricht Rückgewinnungsraten von über 90%.


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